[D]er vorliegende Text des KNI:IX Reports [könne] den Grundstein für eine produktive Debatte in der Fachwelt legen und vielleicht einen Prozess hin zur Erstellung eines Leitfadens anstoßen.
Im Rahmen der vergangenen Beiratssitzung von KN:IX wurden aktuelle Debatte rund um das Thema Islamistischer Extremismus aufgegriffen. Dabei wurden folgende Artikel des KNIX Report 2021 (PDF) durch Mitglieder des Beirats kommentiert:
- „Legalistischer Islamismus“ und „Politischer Islam“ – Herausforderungen für die Präventionspraxis – verfasst von Jamuna Oehlmann (BAG RelEx) und kommentiert von Ramses Michael Oueslati (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg)
- Recht behalten ist auch keine Lösung – Ambiguitätstoleranz in der Islamismusprävention – verfasst von Dr. Jochen Müller (ufuq.de) und kommentiert von Michaela Glaser (Berghof Foundation Berlin, Frankfurt University of Applied Sciences)
- Zum Umgang mit Hochrisikoklientel in der selektiven und indizierten Prävention – verfasst von Thomas Mücke und Julia Handle (Violence Prevention Network) und kommentiert von Prof. Peter Neumann (King’s College London)
Kommentar von Prof. Peter Neumann
Peter Neumann (King’s College London) hebt in seinem Kommentar des Artikels Bedrohungsmanagement. Zum Umgang mit Hochrisikoklientel in der indizierten Prävention die hohe Bedeutung einer kompetenten Einschätzung von Risikofaktoren hervor. Dazu könnten praxisorientierte Texte wertvolle Hilfestellung geben, auch wenn Hinweise nicht allgemeingültig sein könnten und individuelle Kompetenzen der Berater*innen eine große Rolle spielten.
Aus seiner Sicht könnte die Bedeutung zentraler Risikofaktoren noch mehr ausdifferenziert bzw. herausgearbeitet werden, welche zentral seien, da viele der im Text erwähnten Faktoren vermutlich bei allen Hochrisikoklienten vorhanden wären. Dies könne in der Praxis zur jeweiligen Bewertung hilfreich sein. Mückes Ansicht nach spricht gegen eine Hierarchisierung von Risikofaktoren allerdings die Gefahr, dass manche Faktoren dann als unbedeutend eingestuft werden könnten, nur weil sie nicht oberste Priorität hätten. Dabei könne bereits das Vorliegen eines einzelnen Risikofaktors ausreichendes Anzeichen für eine bevorstehende Gefahr sein. Vor diesem Hintergrund solle die umfassende Erfassung der Risikofaktoren daher der Entstehung blinder Flecken in der Beratung vorbeugen. Der Sinn von Risikomanagement sei es, das Bewusstsein für Risikofaktoren bei den Fachkräften zu schärfen, damit diese sich im Falle von entsprechenden Anzeichen Unterstützung bei der Einschätzung durch kollegiale Beratung holten.
Neumann zufolge könne es für eine Risikoeinschätzung zudem sinnvoll sein, den Risikofaktoren auch mögliche Schutzfaktoren gegenüberzustellen. Dies wurde auch von anderen Beiratsmitgliedern befürwortet.
Insgesamt misst Neumann dem Thema Bedrohungsmanagement große Bedeutung bei. Dabei könne der vorliegende Text des KNI:IX Reports den Grundstein für eine produktive Debatte in der Fachwelt legen und vielleicht einen Prozess hin zur Erstellung eines Leitfadens anstoßen. Auch Mücke sieht weiterhin Bedarf an Austausch über Risikofaktoren, Sicherheitskonzepte und Verfahrensabläufe, da bei zivilgesellschaftlichen Trägern der Islamismusprävention sehr unterschiedliche Kenntnis- und Erfahrungsstände zur Arbeit mit Hochrisikoklient*innen herrschten. Für einen solchen Austausch könne nach Ansicht der Beiratsmitglieder auch das KN:IX einen Rahmen bieten.
Die Kommentare von Ramses Michael Oueslati (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg) und Michaela Glaser (Berghof Foundation Berlin; Frankfurt University of Applied Sciences) finden Sie ebenfalls in unserem News-Blog.