Podcast KN:IX talks

Folge #24 | Mit israelbezogenem Antisemitismus im Schulalltag umgehen

Wie kann israelbezogener Antisemitismus erkannt werden? Woher kommt die Unsicherheit im Schulalltag, mit israelbezogenem Antisemitismus umzugehen – insbesondere nach dem Anschlag am 7. Oktober 2023 und im Zuge des Gaza-Krieges? Und welche pädagogischen Konzepte benötigt es, um sich mit Antisemitismus und auch Rassismus in der Schule auseinanderzusetzen? Dazu sprechen wir mit Romina Wiegemann, pädagogische Leiterin im Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung, und ihrer Kollegin Lea Güse, Bildungsreferentin im Kompetenzzentrum. Zudem teilt Carl Hildebrandt, Lehrkraft an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli, seine Erfahrungen aus dem Schulalltag.

Im Podcast zu Gast

Romina Wiegemann ist pädagogische Leiterin und Leiterin der Bildungsprogramme im Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung. Ihren Arbeitsschwerpunkt bilden Maßnahmen zur antisemitismuskritischen Professionalisierung von Fach- und Führungskräften. Sie verfügt über Erfahrungen in der Beratung von jüdischen Familien im Umgang mit Antisemitismus sowie in der empowermentorientierten intersektionalen rassismus- und antisemitismuskritischen Bildungsarbeit. Sie studierte Politik und Nahost-Geschichte in Israel und Holocaust Studies in Berlin.

Lea Güse studierte Bildungs- und Erziehungswissenschaften in Oldenburg und ist seit einigen Jahren in der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit tätig. Seit April 2023 arbeitet sie beim Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung und führt innerhalb der Bildungsprogramme bundesweit Maßnahmen zu den Themenschwerpunkten Antisemitismus und Diskriminierung durch.

Transkript zur Folge

(Musik im Hintergrund)

Lea Güse: Und die Herausforderung, die sich uns dann halt auch häufig stellt, ist, diese Illusion sozusagen auch zu nehmen und darauf hinzuweisen, dass der Antisemitismus vielleicht nicht mehr dergestalt ist, wie er während der Shoah gewesen ist, sondern er sich halt in den letzten Jahren auch anders entwickelt hat. Und da ist der israelbezogene Antisemitismus eine weitere Dimension.

 

Romina Wiegemann: Welche Konzepte müssen in diesen Fällen von Antisemitismus und Rassismus tatsächlich greifen. Und da braucht es natürlich einerseits einen pädagogischen Umgang damit. Aber primär, wenn wir sagen, das sind Gewaltverhältnisse, braucht es da ja Maßnahmen, die primär dann die Betroffenen schützen.

 

(Musik im Hintergrund)

 

Charlotte Leikert (Intro KN:IX talks): Herzlich willkommen zu KN:IX talks, dem Podcast zu aktuellen Themen der Islamismusprävention. Bei KN:IX talks sprechen wir über das, was die Präventions- und Distanzierungsarbeit in Deutschland und international beschäftigt. Für alle, die in dem Feld arbeiten oder immer schon mehr dazu erfahren wollten: Islamismus, Prävention, Demokratieförderung und politische Bildung. Klingt interessant? Dann bleiben Sie jetzt dran und abonnieren Sie unseren Kanal. KN:IX talks – überall da, wo es Podcasts gibt.

 

Judith De Santis (KN:IX): Hallo, herzlich willkommen zur 24. Folge von KN:IX talks. Mein Name ist Judith De Santis. Ich bin die neue Stimme im Redaktionsteam dieses Podcast. Seit diesem Jahr, also seit 2024, verantworte ich die Folgen für ufuq.de. Schön, dass Sie zuhören. In den letzten beiden Episoden hat die BAG RelEx, also die Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, darüber gesprochen, wie global agierende islamistische Gruppen auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 reagiert haben. Die Folge des Violence Prevention Networks hat sich dann mit der deutschen Szene befasst. Und in dieser letzten Episode der Staffel werfen wir einen Blick in den Schulalltag. Viele pädagogische Fachkräfte in Schulen fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet, um die Auswirkungen des 7. Oktobers und die komplexen Themen, die hier eine Rolle spielen, im Unterricht zu behandeln. Ein solches komplexes Thema ist der israelbezogene Antisemitismus. Um den wird es heute gehen. In der pädagogischen Arbeit stellt sich gerade, im Zuge des aktuellen Krieges in Gaza und in einer emotional hochaufgeladenen Situation öfter die Frage, ob bestimmte Positionen und Äußerungen unter Schüler*innen als israelbezogener Antisemitismus zu bewerten sind. Doch ab wann ist eine Kritik an Israel eigentlich antisemitisch? Welche Unsicherheiten im pädagogischen Umgang mit israelbezogenem Antisemitismus kommen an Schulen gerade auf? Und gibt es vielleicht so etwas wie eine pädagogische Best Practice, um israelbezogenem Antisemitismus zu begegnen? Für diese Fragen habe ich mir zwei Expertinnen eingeladen: Romina Wiegemann, pädagogische Leiterin und Leiterin der Bildungsprogramme im Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung und ihre Kollegin Lea Güse. Sie ist Bildungsreferentin beim Kompetenzzentrum, für welches sie innerhalb der Bildungsprogramme bundesweit Maßnahmen zu den Themenschwerpunkten Antisemitismus und Diskriminierung durchführt. Und zu den Zielgruppen zählen unter anderem auch Lehrkräfte und Fachkräfte der Schule. Und in dieser Folge auch dabei – nicht persönlich, aber zugeschaltet aus der Praxis – Carl Hildebrandt, Klassenlehrer und Fachlehrer an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli in Berlin-Neukölln, für die Fächer Sport, Biologie und Ethik und Politik. Für uns teilt er seine Erfahrungen aus dem Schulalltag zum Thema israelbezogener Antisemitismus und dem Umgang damit.

 

Judith De Santis (KN:IX): Hallo Romina, hallo Lea, herzlich willkommen. Schön, dass ihr da seid.

 

Romina Wiegemann: Hallo Judith, danke für die Einladung.

 

Judith De Santis (KN:IX): Vorweg interessiert mich die Frage zu eurem Verständnis von israelbezogenem Antisemitismus. Denn Konzepte von Antisemitismus sind oft abstrakt und facettenreich. Antisemitismus nimmt verschiedene Dimensionen an, israelbezogener Antisemitismus ist eine davon. Und einigen Menschen in Deutschland fällt es laut Studien und Umfragen schwer, israelbezogenen Antisemitismus zu erkennen. Also wann genau nimmt ein Diskurs über Israel eigentlich antisemitische Züge an? Und viele wünschen sich, so schreibt es zum Beispiel die Amadeu Antonio Stiftung, einen Antisemitismus-Schnelltest: Ist etwas antisemitisch? Oder handelt es sich um eine legitime Kritik an der Politik Israels?

 

Romina Wiegemann (KN:IX): Ich würde gerne mit einer größeren Einordnung von israelbezogenem Antisemitismus beginnen. Israelbezogener Antisemitismus ist zunächst einmal Antisemitismus, ganz egal, in welchem politischen Spektrum oder in welcher gesellschaftlichen Sphäre er artikuliert wird. Er ist mehr als ein bloßes Phänomen, sondern ein Ungleichheitsverhältnis, ein Machtverhältnis, ein Unterdrückungsverhältnis und er wirkt genauso wie alle anderen Formen von Antisemitismus gewaltvoll, vor allem auf Juden und Jüdinnen. Zumeist sind sie davon betroffen. Und auch israelbezogener Antisemitismus artikuliert sich wie Antisemitismus insgesamt in unterschiedlichen Nuancen, also von subtil bis hin zur Vernichtungsdimension. Und auch unabhängig von bestimmten Realitäten. Antisemitismus existiert seit über 2.000 Jahren und seine Grundstruktur ist stabil. Nur wie er sich eben artikuliert, welche konkreten Stereotypen, Zuschreibungen, Zuordnungen, Zuweisungen verbreitet werden und welche Anlässe und Gelegenheiten genutzt werden, das ist das Dynamische. Und die klassischen antisemitischen Funktionen, eben allen voran die Dämonisierung von Juden und Jüdinnen werden im israelbezogenen Antisemitismus auf den Staat Israel übertragen als jüdisches Kollektiv und eben mit genau diesem antisemitischen Repertoire belegt auf eine gesellschaftlich breit akzeptierte Art und Weise. Und die Bilder, die hier auch zum Tragen kommen beim israelbezogenen Antisemitismus, sind eben so wirkmächtig, weil auch sie kontinuierlich, von Generation zu Generation, weitergegeben wurden und eben Wissensbestände sind, die auf die einfach zurückgegriffen werden kann. Und das sind zum Beispiel Bilder und Vorstellungen von Bösartigkeit, von Macht, von Einfluss, von Rachsucht, von Gewalttätigkeit, von Illoyalität, von Konspiration, von Fremdheit und von etwas wie unnatürlich sein. Das waren jetzt krasse Reproduktionen. Aber wir müssen sie manchmal leider so formulieren, um zu wissen, worüber wir sprechen. Diese Bilder von Juden und Jüdinnen werden auf den Staat Israel übertragen im israelbezogenen Antisemitismus. Und zugleich wird dann mit der, in Übereinstimmung mit der vermeintlichen Illegitimität des Staates, Juden und Jüdinnen das Recht auf nationale Selbstbestimmung entzogen, der Staat per se dämonisiert, die Existenzberechtigung abgesprochen. Oder eben ganz häufig auch, was wir auch sehr verdichtet erleben seit dem 7. Oktober, dass auch das Leben und Überleben von Juden und Jüdinnen einer gewissen, ja auch Beliebigkeit preisgegeben wird. Und das betrifft Menschen in Israel. Es betrifft aber auch Menschen hier, Juden und Jüdinnen hier. Die Message der Anschläge ist hier angekommen. Die antisemitische Message der Anschläge ist angekommen und hat sich eben auch hier mit Angriffen auf Juden und Jüdinnen vermischt. Dazu kam eben auch eine weitgehend ausgebliebene Solidarität oder minimal Einfühlung vonseiten der Zivilgesellschaft. All das gehört eben auch zur Begriffsannäherung, wenn wir über israelbezogenen Antisemitismus sprechen. Und ebenso wie der Fakt, dass israelbezogener Antisemitismus sich eben nicht nur so in diesem Abzirkeln von Sprachhandlungen messen lässt. Also so viel zum Schnelltest. Es ist nämlich auch ein Ressentiment, ein Gefühlsbestand. Antisemitismus ist ein Ressentiment, ein Gefühlsbestand, der überlebt hat und der eben seit 1945 gerade hier auch spezifisch aufgeladen ist. Ich weiß nicht, wie viele Hörer*innen das wissen, aber in den letzten Monaten, und ja auch vor dem 7. Oktober, waren Schulen beispielsweise, und heute soll es ja auch um Schulen gehen, für Juden und Jüdinnen unsicherer Orte. Das hat sich seit dem 7. Oktober verdichtet. Die Bedrohung hat zugenommen. Viele Juden und Jüdinnen haben ihre Schulen nicht mehr besucht, jüdische Kinder, Jugendliche, weil sie dort angegriffen worden sind. Kinder, die in jüdische Schulen gehen, waren dort sozusagen einer Bedrohung ausgesetzt. Also das ist einfach sozusagen die Realität, die israelbezogener Antisemitismus eben auch hervorbringt. Genau, und was sowieso dem Antisemitismus innewohnt, gilt auch für den israelbezogenen Antisemitismus. Der macht es einfach auch möglich, komplexe gesellschaftliche Entwicklungen, Verhältnisse vereinfachend zu deuten und sozusagen dient der Entlastung. Das alles wird eben häufig auch bagatellisiert. In Schule, in Kita, in Jugendclubs. Uns ist es einfach wichtig, dass wir hier nicht über Theorie reden, sondern über eine gewaltförmige Praxis, die Juden und Jüdinnen eben schon sehr gut kennen und die sich eben seit dem 7.10. noch umso mehr auf Schärfste verwirklicht, auch hierzulande. Deswegen schlucken wir auch immer, wenn über einen vermeintlichen israelbezogenen Antisemitismus gesprochen wird, denn er ist einfach eine Realität. Und wir müssen erst mal anerkennen, dass er da ist, bevor wir dann natürlich auch kritisch schauen, zu welchen rassistischen Auslagerungen es in diesem Zusammenhang auch kommt. Und überhaupt ist die Abwehr von Antisemitismus etwas, womit wir uns auch in der Bildungsarbeit auf unterschiedlichen Ebenen beschäftigen. Aber sozusagen da auch ein rassismuskritischen Blick drauf zu werfen, ist für uns eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

 

Judith De Santis (KN:IX): Ja. Danke. Stichwort 3D-Test. Was haltet ihr davon? Ist das so einfach, dadurch israelbezogenen Antisemitismus zu definieren?

 

Romina Wiegemann: Es ist überhaupt nicht so einfach, wie wir es gerade mit dieser Checkliste sehen. Denn ich finde den 3D-Test hilfreich, aber er ist auch Teil des Problems. Die 3 D‘s, soll ich die kurz mal ausführen? Vielleicht ist das hilfreich. Die stehen für Dämonisierung. Also wenn der Staat Israel dämonisiert wird. Das ist das eine D. Das zweite D steht für Delegitimierung. Das heißt, wenn dem Staat Israel das Existenzrecht quasi abgesprochen wird. Und das dritte D steht für Doppelstandards und bedeutet, dass es sich um Antisemitismus handelt, wenn an den Staat Israel andere Standards angelegt werden, als an andere Staaten, was zum Beispiel das Recht auf Selbstverteidigung betrifft usw. Ich finde das als Hilfsmittel hilfreich. Ich finde aber, dass das an Grenzen kommt. Denn wie ich auch schon gesagt habe, geht es ja nicht nur darum, immer auf der sicheren Seite sein zu wollen. Was darf ich sagen oder was darf ich nicht sagen? Das ist auch ein Anliegen, das wir gut kennen, auch aus der Bildungsarbeit. Aber die Frage ist, erfassen wir damit tatsächlich auch das Problem? Denn geht es darum, dass ich was richtig machen will, oder geht es auch darum, was ich fühle und vielleicht nicht so bewusst auch artikuliere? Das ist überhaupt im Antisemitismus ganz wichtig in den Blick zu nehmen, dass Antisemitismus eben ganz viele Funktionen erfüllt. Eine Funktion ist zum Beispiel gerade diese moralische Selbsterhöhung, zum Beispiel. Also auf der Seite der Guten stehen zu wollen, aber sich dann sozusagen dadurch auch antisemitisch zu artikulieren. Das heißt, diese Hilfsmittel auf der semantischen Ebene haben totale Grenzen für eine antisemitismuskritische Bildungsarbeit, die ja immer mehr umfassen muss, die ja wirklich auch eine selbstreflexive Ebene ansprechen soll, primär eine gesellschaftsreflexive Ebene. Und eben auch in unserem Fall, wenn wir mit Fachkräften arbeiten, dann in der Folge eben auch ein professionelles Handeln ermöglichen soll im Kontext von Antisemitismus.

 

Judith De Santis (KN:IX): Ja, und das schließt gut an meine nächste Frage an. Weil du hast ja auch gerade gesagt, dass man die Angst hat, etwas falsch zu sagen oder falsch zu definieren oder nicht richtig zu kontextualisieren. Woher kommt denn diese Unsicherheit im Schulalltag mit israelbezogenem Antisemitismus umzugehen?

 

Romina Wiegemann: Ja, das ist sozusagen eine Leerstelle, die strukturell besteht. Also wir kennen diese Leerstelle schon sehr lange. So haben wir den 7. Oktober sozusagen und die Folgen nicht gebraucht, um zu wissen, dass eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus nichts ist, was sich von alleine ergibt, was in irgendeiner Form in der Lehrer*innenausbildung verankert ist. Also wie auch beim Rassismus, wie auch bei anderen Formen von Diskriminierung, benötigt es Räume, wo spezifisch auf Antisemitismus eingegangen wird, eine Beziehung zum Thema hergestellt wird, ein Setting ermöglicht wird, in dem Lehrkräfte in diesem Fall, aber auch andere Berufsgruppen, in die Möglichkeit versetzt werden, sich mit Antisemitismus auf eine Weise zu beschäftigen, bei der sie sich selber nicht außerhalb des Problems stehend betrachten. Sondern als Teil eines Erbes, das in diesem Land, aber auch nicht nur in Deutschland, aber spezifisch in Deutschland auch, sehr wirkmächtig ist bis heute. Um genau das, was wir eben gerade verdichtet sehen, diese Überforderung, diese Ohnmacht zu überwinden. Und diese Unsicherheit im Umgang damit auch zu überwinden.

 

(Musik)

 

Carl Hildebrandt: Also an unserer Schule gibt es eben den WPU-Nahost, wo Schüler*innen sich drauf bewerben können und sich dann zwei Jahre mit den Themen auseinandersetzen können. Vor allem der 9. und 10. Jahrgang. Normalerweise findet dann am Ende eine Reise statt nach Israel und den palästinensischen Gebieten, wo man verschiedene Spezialist*innen trifft, aber auch einfach dort mit Schüler*innen und Familien in den Austausch kommt. Das ist ein sehr gutes Beispiel, weil wir dort einen Raum schaffen, wo man sich wirklich intensiv mit einem Thema auseinandersetzen kann. Das fehlt, würde ich sagen, bei vielen Themen und eben dadurch ist es wirklich eine gute Möglichkeit. Es ist meiner Meinung nach wichtig, damit umzugehen. Es ist wichtig, Räume zu schaffen, wo die Kids alles fragen können, ohne direkt bewertet zu werden. In meinem Unterricht selber versuche ich zumindest die Möglichkeit zu schaffen, und auch, dass die erst mal alles fragen können und Emotionen rauslassen können. Um dann die einzuordnen, zu helfen, Probleme zu erkennen, aber auch andere Perspektiven vielleicht kennenzulernen, das alles ein bisschen mehr einzuordnen.

 

(Musik)

 

Romina Wiegemann: Antisemitismus ist ja sozusagen auch etwas, was sehr stark aufgeladen ist. Das Wort alleine löst ja häufig etwas aus. Es ist etwas, was man eher von sich weisen möchte. Es ist etwas, womit man nichts zu tun haben möchte. Und es wirkt sich dann in unterschiedlichen Distanzierungsstrategien aus. Zum Beispiel eben durch eine Bagatellisierung dessen, was ich sehe. Ein Nicht-Erkennen-Können oftmals. Also ich kann es nicht erkennen, obwohl es sich eigentlich sehr direkt abspielt. Das sind alles so Hinweise dafür, dass es herausfordernd ist, eine Beziehung zum Gegenstand herzustellen. Und ihn eben auch nicht, und das ist glaube ich gerade im Antisemitismus ein großes Problem, auf einer sehr abstrakten Ebene zu verhandeln. Sondern wirklich auch als Gewaltverhältnis zu verstehen, das Menschen trifft. Und eine Wirkung hat.

 

Lea Güse: Genau das, was wir an Schulen häufig sehen, ist, dass es so eine bestimmte Umgangsweise gibt zum Thema Antisemitismus zu arbeiten oder Antisemitismus zu verstehen. Und eine Herausforderung, die sich da häufig stellt, für Lehrkräfte, für die Schüler*innen ist, dass Antisemitismus häufig in der Zeit des Nationalsozialismus verortet wird und gegenwärtiger Antisemitismus häufig nicht wahrgenommen wird. Und die Herausforderung, die sich uns dann halt eben auch häufig stellt, ist, diese Illusion sozusagen auch zu nehmen und darauf hinzuweisen, dass der Antisemitismus vielleicht nicht mehr dergestalt ist, wie er während der Shoah gewesen ist, sondern er sich halt in den letzten Jahren auch anders entwickelt hat. Und da ist der israelbezogene Antisemitismus eine weitere Dimension, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat, neben dem Schuldabwehr-Antisemitismus. Aber das ist halt eben so eine Leerstelle, worauf sich da dann halt eben auch diese Verunsicherung beruft.

 

Judith De Santis (KN:IX): Gehen wir mal auf eure Erfahrungen aus der Fort- und Weiterbildungspraxis ein. Euch erreichen vor allem jetzt, seit dem 7. Oktober, besonders viele Fortbildungsanfragen zum Umgang mit israelbezogenem Antisemitismus an Schulen. Welche Bedarfe formulieren die Lehrkräfte zurzeit in euren Fortbildungen? Nehmt ihr bestimmte Anliegen besonders stark gerade wahr und wenn ja, welche sind das? Könnt ihr das vielleicht ein bisschen beispielhaft auch erzählen?

 

Romina Wiegemann: Mir ist der Satz einer Lehrkraft so im Ohr, klingelt mir noch so. Die Person hat gesagt, wir kennen diese Themen und wir kennen diese Herausforderungen. Also sie bestehen schon länger. Gemeint sind damit Antisemitismus, Rassismus und der israelisch-palästinensische Konflikt. Aber wir kommen gerade nicht mehr daran vorbei. Also es ist sehr schwer, sozusagen die Herausforderungen jetzt gar nicht mehr zu sehen oder sich davon abzuwenden oder nicht. Ja, wir erklären uns auch so eben auch den hohen Andrang. Wir haben nach dem 7. Oktober digitale Sprechstunden eingerichtet. Eineinhalb Stunden-Formate, eher supervisorisch angelegt. Ganz anders, als wir sonst arbeiten. Wir arbeiten ja gerne langfristig und in Präsenz und intensiv. Aber der Bedarf war einfach so nicht mehr zu decken. Und erstmal gab es ein ganz großes Bedürfnis der Sortierung. Also worum handelt es sich jetzt hier genau? Überhaupt zu sagen, wir wollten hier Impulse setzen für diese Differenzierung. Also die Phänomene Antisemitismus, den israelisch-palästinensischen Konflikt, Verbindungslinien, auch Rassismus sozusagen zu benennen, als Themen, die einer spezifischen Bearbeitung bedürfen. Gerade auch Antisemitismus und Rassismus sozusagen, erledigen sich nicht zusammen von selbst, sondern müssen spezifisch, mit allen Verbindungslinien allerdings, bearbeitet werden. Dafür zu sensibilisieren. Und ganz oft haben wir auch darauf hinweisen müssen, eben auf das Eskalations- und Gewaltpotenzial, das hier sich verwirklicht. Und auf eine Art und Weise eben, die in dieser Form schon lange nicht mehr dagewesen ist, ohne zu sagen, dass vor dem 7. Oktober alles gut war. Und darauf hinzuweisen, dass es eben auch jüdische Kinder oder Jugendliche in der Klasse geben könnte, die eventuell betroffen sind oder spezifischen Schutz benötigen. Israelische Kinder und Jugendliche. Das ist etwas, was zum Beispiel überhaupt nicht mitgedacht wird. Darauf haben wir hingewiesen. Was wir auch festgestellt haben, was selbst Lehrkräften, die engagiert sind, die sich schon ein Stück mehr mit diesen Themen beschäftigt haben, dass es in den Schulen keine, meistens keine Antidiskriminierungskonzepte gibt. Die auch Kolleg*innen unterstützen können mit bestimmten Vorfällen. Diesen Begriff muss man kritisch reflektieren. Was sind Vorfälle, was sind strukturelle Probleme? Also da bedarf es nochmal einer Einordnung. Aber mit bestimmten Ereignissen sozusagen umzugehen. Also ein Vorfallmanagement, Beschwerdemanagement, ein Gremium innerhalb der Schule, das sich mit diesen Fragen beschäftigt und auch ansprechbar ist. Also viele Lehrkräfte haben auch das Gefühl, sehr alleine zu sein, selbst wenn sie etwas Gutes wollen. Und das ist ein Bedarf, der jetzt sehr klar formuliert worden ist.

 

(Musik)

 

Carl Hildebrandt: Also meiner Meinung nach, nach dem 7. Oktober ist das Thema wieder tagesaktuell geworden. Viele Lehrkräfte waren dann plötzlich wieder mit dem Thema oder das erste Mal überhaupt mit dem Thema konfrontiert, ohne dabei genügend Wissen zu haben. Also ich überspitze das jetzt mal: Wie soll jemand, der sich mit Biologie und Chemie auskennt, plötzlich Wissen über die Komplexität des Nahostkonflikts haben? Also wenn du eine Klassenlehrkraft bist, wird das von dir gefordert, dass du den Schüler*innen dann hilfst, aktuelle Themen einzuordnen. Wir haben uns Hilfe von außen versucht zu holen, direkt nach dem 7. Oktober. Aber auch hier ist eine Überforderung zu spüren gewesen. Und diese Unwissenheit und Hilflosigkeit spiegelt sich dann natürlich in der Unsicherheit der Lehrkräfte wider. Erkläre einem Kind, was Familie im Gazastreifen hat, was der israelbezogene Antisemitismus ist. Finde ich irgendwie schwierig. In der ersten Zeit müssen erst mal Emotionen aufgefangen werden. Erst nach und nach kann sich vertieft damit auseinandergesetzt werden.

 

(Musik)

 

Lea Güse: Also das, was wir in unseren digitalen Sprechstunden und auch darüber hinaus in den Workshops immer wieder als Bedarf oder vielleicht auch eher als Irritation herauskristallisieren können, so als Thema bei den Lehrkräften, ist das Thema des Neutralitätsgebots. Dass Lehrkräfte sich unsicher sind, ob sie sich überhaupt zu dem – wenn wir es jetzt mal Konflikt nennen wollen – Konflikt äußern können. Also in der Schule haben sie die Situation, dass sie halt eben Menschen auch aus muslimischen Communities in ihren Klassen haben, weniger jüdische Schüler und Schülerinnen. Das ist halt eben das, was jetzt gerade einfach an Schulen, glaube ich, eher Thema ist. Also auch der antimuslimische Rassismus. Und sie sich dann in diesem Konflikt auf dem Schulhof mit dem Hintergedanken, der Nahostkonflikt steckt dahinter, dass sie denken sie müssten sich da neutral verhalten. Weil sie da nicht zwischen die Fronten geraten wollen. Weil sie vielleicht auch Sorge davor haben, etwas Falsches zu sagen. Dass sie denken, sie haben keinen Überblick, was den Nahostkonflikt angeht. Deswegen können sie da nicht mitreden. Aber für die aktuelle Situation, also das, was wir nach dem 7. Oktober hier in Deutschland auch erleben, ist das auch erst mal eher zweitrangig. Sondern es geht letztendlich eher darum, einordnen zu können, was auf dem Schulhof passiert. Und wenn rassistische oder antisemitische Aussagen getätigt werden, da dann halt eben auch ins Handeln zu kommen. Und sich nicht, um es mal ein bisschen salopp auszudrücken, hinter einem Neutralitätsgebot, das eigentlich für andere Situationen gedacht ist, zu verstecken.

 

Romina Wiegemann: Ich könnte da eigentlich sehr gut anschließen. Weil du, Lea, gesagt hast, wenn Antisemitismus und Rassismus erkannt werden. Dann ist auch die Frage, wie gehe ich dann damit tatsächlich um? Und unsere Erfahrung ist, dass es eben oftmals nicht nur schwer fällt, Antisemitismus zu erkennen und zu deuten und zu handeln. Sondern die Frage ist dann auch, wie wird das eingeordnet? Also welche Konzepte müssen in diesen Fällen von Antisemitismus und Rassismus tatsächlich greifen? Und da braucht es natürlich einerseits einen pädagogischen Umgang damit. Aber primär, wenn wir sagen, das sind Gewaltverhältnisse, braucht es da ja Maßnahmen, die primär dann die Betroffenen schützen. Und das ist etwas, was in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus noch viel zu wenig verankert ist. Für den Rassismus gilt das, denke ich, gleichermaßen, dass in erster Linie die Betroffenen dieser Gewaltverhältnisse in den Blick genommen werden müssen. In diesem Zusammenhang verweisen wir zum Beispiel auch oft an die Beratungsstelle OFEK, die Beratungsstelle für Betroffene antisemitischer Gewalt und Diskriminierung. Also einfach auch zu wissen, dass es auch Organisationen gibt, auf die verwiesen werden kann, Netzwerkmanagement voranzutreiben. Und eben, was uns eben auch wichtig ist, Impulse dafür zu setzen, dass nicht nur der pädagogische Umgang, sondern eben auch die Wirkung von Antisemitismus auf Betroffene in den Vordergrund gestellt wird.

 

(Musik)

 

Judith De Santis (KN:IX): Welche pädagogischen Möglichkeiten seht ihr denn als hilfreich, um israelbezogenem Antisemitismus zu begegnen und dabei auch rassismuskritische Ansätze mitzudenken? Ich meine, Antisemitismuskritik und Rassismuskritik zusammen zu denken.

 

Romina Wiegemann: Also prinzipiell würden wir immer dafür plädieren, Antisemitismus und Rassismus nicht als Einzelfälle, als Sonderfälle sozusagen in der Schule zu behandeln, sondern als institutionelle Probleme. Es sind ja auch gesellschaftliche Strukturverhältnisse, die in die Schule hineinwirken und als solche auch institutionell angegangen werden müssen. Das ist ja weiterhin, breitflächig, nicht der Fall. Und daher ist es sozusagen auch für Pädagog*innen, für Lehrkräfte, oftmals herausfordernd, selbst damit einen Umgang zu finden und sich selber da sozusagen zu professionalisieren. Das ist für uns aber die Grundvoraussetzung. Also eine spezifische Beschäftigung mit Antisemitismus, aber auch eine spezifische Beschäftigung mit Rassismus und anderen Diskriminierungsformen. Und auch ein Wissen über die Wechselbeziehungen, die es hier gibt. Wir sensibilisieren auf jeden Fall in unseren Fortbildungen für ein Antisemitismusverständnis, das einerseits davon ausgeht, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Verhältnis ist. Also nicht bestimmten Gruppen zugeschrieben werden kann, sondern eben unabhängig davon funktioniert und verbreitet ist. Und eben aber auch für diese Externalisierungstendenzen und Abwehrmechanismen, die oft greifen, zu sensibilisieren. Und die sind sehr unterschiedlich. Wir haben ein paar heute schon genannt. Also sich selbst als außerhalb des Problems verorten, Antisemitismus immer nur bei anderen wahrzunehmen, aber nicht bei sich selbst und es sich damit auch leicht zu machen. Und besonders schwierig wird es natürlich dann, wenn ich Antisemitismus bestimmten Gruppen per se, Gruppen unter Anführungszeichen bitte, zuschreibe. Das sind die Jugendlichen, die migrantischen, die migrantisierten Jugendlichen. Also das sind ja die, die oftmals dann im Fokus stehen. Aber trotzdem bedeutet es ja nicht, Antisemitismus dort, wo er auftritt, nicht entsprechend zu behandeln. Aso ihn überall entsprechend wahrzunehmen und zu deuten. Und eben die Maßnahmen zu setzen, die wir schon besprochen haben und die es dann eben auch braucht.

 

Lea Güse: Mir ist eben noch ein Punkt gekommen zu deiner Frage mit der Verbindung Antisemitismus und Rassismus. Also das halt eben im Umgang mit Antisemitismus, dass sich da halt eben auch einiges aus der Rassismuskritik herausziehen lässt. Also ich meine, letztendlich sind das halt beides Gewaltverhältnisse, Machtverhältnisse, die nicht das Gleiche sind. Aber es gibt gewisse Ähnlichkeiten. Und es gibt auch gewisse Punkte aus der Rassismuskritik, die für die Antisemitismuskritik auch wichtig sind. Und das ist meiner Meinung nach, und das ist auch das, was ich jetzt seit dem 7. Oktober häufig gedacht habe, dass wenn man in der Rassismuskritik auf Betroffene schaut, dann gibt es da halt so den Common Sense: Das, was die Betroffenen sagen, das ist das, wovon wir ausgehen. Das ist das, was eine Aussagewirkung hat. Und das ist sozusagen das, was auf jeden Fall in der Rassismuskritik einbezogen wird. Und mein Eindruck ist, dass das, wenn es um Antisemitismus geht, häufig nicht passiert. Also dass da dann auch die Perspektive von Betroffenen nicht so eine Gewichtung hat. Also dass denen dann vielleicht auch weniger geglaubt wird. Wir sind in der Bildungsarbeit auch immer wieder damit konfrontiert, dass wir überhaupt rechtfertigen müssen, dass wir zu dem Thema arbeiten oder dass wir darauf hinweisen, dass es Antisemitismus gibt.

 

Judith De Santis (KN:IX): Habt ihr sonst vielleicht noch konkrete Methoden, die ihr dann anwendet? Habt ihr so eine Best Practice, wie dann mit israelbezogenem Antisemitismus, der vielleicht aufkommt, umgegangen werden kann?

 

Romina Wiegemann: Also wir würden immer sagen: Bitte nicht nur mit israelbezogenem Antisemitismus umgehen, sondern mit jedem Antisemitismus umgehen. Und ja, also wir arbeiten ja nur mit Erwachsenen. Aber natürlich arbeiten die Erwachsenen auch mit Schüler*innen. In diesem Zusammenhang haben wir unser Unterrichtsmaterial „Antisemitismus? Gibt‘s hier nicht. Oder etwa doch?“ entwickelt, gemeinsam mit Yad Vashem. Dieses Unterrichtsmaterial ermöglicht es Schüler*innen ab 13 Jahren sich mit Antisemitismus vielleicht zum ersten Mal pädagogisch gestützt auseinander zu setzen. Die vielfältigen Funktionen, die Antisemitismus übernimmt, kennenzulernen, die Ausdrucksformen, anhand von Fallbeispielen wahrnehmen zu können. Und einerseits geht es uns darum, auch Schüler*innen Möglichkeiten des Handelns näher zu bringen. Aber primär haben wir dabei die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften auch im Blick. Deswegen haben wir dazu auch eine spezielle Fortbildung konzipiert, wo wir auch Lehrkräften das Unterrichtsmaterial näherbringen und gleichzeitig aber auch eine selbstreflexive Beschäftigung mit dem Thema erstmal voraussetzen. Um eben gerade auch den eigenen Blick auf die Lerngruppe kritisch zu reflektieren. Habe ich vielleicht Vorannahmen, was bestimmte Schüler*innen und ihre Haltungen betrifft, beispielsweise. Und im Unterrichtsmaterial selbst finden sich auch Beispiele, die auf die Gleichzeitigkeit von Antisemitismus und Rassismus und andere Diskriminierungsverhältnisse in der Schule eingehen. Also das ist etwas, was wir Lehrkräften dann nahelegen. Aber gleichzeitig immer dazu sagen, Antisemitismus ist natürlich nicht ausschließlich das Problem von Schüler*innen, sondern erstmal braucht es eine eigene Beschäftigung, um dann in der weiteren Folge mit diesem Material arbeiten zu können.

 

Judith De Santis (KN:IX): Meine letzte Frage ist noch: Welche Gefahr seht ihr denn, wenn an der Schule pädagogische Maßnahmen nicht ergriffen werden, um über Antisemitismus zu sprechen oder über den Nahostkonflikt? Wenn das zu wenig behandelt wird, was die Kinder und Jugendlichen betrifft?

 

Romina Wiegemann: Ich kann da gerne anknüpfen. Wenn wir über Antisemitismus oder den Umgang mit Antisemitismus sprechen, befinden wir uns ja eigentlich gar nicht mehr im Bereich der Prävention, weil Antisemitismus sich ja tagtäglich verwirklicht. Das heißt, es braucht einen Umgang damit. Aber natürlich ist es so, dass bereits Kinder schon von klein auf in antisemitische Strukturen, in gesellschaftliche Strukturen, die eben auch antisemitische Strukturen sind, eingebunden sind, und antisemitisches Wissen, unter Anführungszeichen, erwerben. Bilder über Juden und Jüdinnen, auch problematische Bilder über die Vergangenheit, wenn wir über Nationalsozialismus und Shoah beispielsweise reden. Das wissen wir auch aus Studien, dass bereits 8-jährige Kinder sehr viel Wissen mitbringen über die Vergangenheit, aber oftmals eben das, was sie familiär vermittelt bekommen haben. Und das muss eigentlich kritisch hinterfragt werden.

 

(Musik)

 

Carl Hildebrandt: Ich versuche immer, verschiedene Punkte zu setzen, aber ich komme als Lehrkraft eben nicht gegen TikTok und bei einigen Fällen auch Sozialisierung an. Der Umgang zu Hause ist wichtig für die Meinungsbildung der Schüler*innen. Ich kann einen Beitrag leisten, aber gegen Aussagen von Familienmitgliedern vollständig anzukommen, finde ich eine Hürde. Und bei der Bearbeitung des Themas mit den Kindern hilft mir als Lehrkraft vor allem auch eine intensive Beziehungsarbeit. Das muss ich nochmal betonen. Diese Beziehungsarbeit ist vor allem wichtig, um Zugang zu den Schüler*innen zu bekommen. Und nur so kann man dann ein Vertrauensverhältnis haben, wo man dann über solche Themen reden kann und wo die Schüler*innen auch Fragen stellen können, die ich dann aufgreifen kann. Und mit denen dann zu diskutieren, Perspektiven kennenzulernen. Meinungen auszutauschen.

 

(Musik)

 

Romina Wiegemann: In der Grundschule gäbe es eigentlich die erste institutionelle Möglichkeit, Antisemitismuskritik zu setzen, um hier Kindern auch eine Art von Ordnungssystem anzubieten für ihre diffusen Vorstellungen. Sie auch damit ernst zu nehmen und das Thema auch rechtzeitig zu bearbeiten. Aber eben mit dem Wissen, dass in diesen Klassen, wo über Antisemitismus gesprochen wird, als Thema, natürlich auch betroffene Kinder in Familien vorhanden sind. Das heißt, es braucht eigentlich eine Sensibilisierung, gerade auch für diesen primärpädagogischen Bereich, von Lehrkräften, dass diese Themen auch da schon vorhanden sind. Genauso wie Rassismus auch schon in der Grundschule vorhanden ist und andere Formen von Diskriminierung und einen professionellen Umgang erfordern. Weil, sozusagen, wenn das nicht passiert, wird diese Kontinuität der Gewalt, ja, wird nicht unterbrochen. Und was das bedeutet, das sehen wir ja jetzt gerade sehr, sehr deutlich.

 

(Musik)

 

Judith De Santis (KN:IX): Ein herzliches Dankeschön an euch zwei, dass ihr heute hier wart und mit uns eure Expertise und eure Erfahrungen geteilt habt.

 

Lea Güse: Danke auch.

 

Romina Wiegemann: Danke.

 

Judith De Santis (KN:IX): Das waren Romina Wiegemann und Lea Güse vom Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung. Und, Carl Hildebrandt, der uns als Lehrkraft Einblicke in den Schulalltag gegeben hat. Ja, und wenn sie nach diesen drei Folgen der ersten Staffel KN:IX talks noch mehr Perspektiven auf die pädagogischen Herausforderungen kennenlernen möchten, dann hören Sie doch mal rein in den Podcast RADIS redet. Die Folge zum Nahostkonflikt dreht sich vor allem um die Frage, wie zwischen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit ein Raum für offene Gespräche geschaffen werden kann. Vielen Dank, dass Sie heute zugehört haben und bis zum nächsten Mal.

 

(Musik)

 

Charlotte Leikert (KN:IX Outro): Sie hörten eine Folge von KN:IX talks, dem Podcast zu aktuellen Themen der Islamismusprävention. KN:IX talks ist eine Produktion von KN:IX, dem Kompetenznetzwerk „Islamistischer Extremismus“. KN:IX ist ein Projekt von Violence Prevention Network, ufuq.de und der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, kurz BAG RelEx. Ihnen hat der Podcast gefallen? Dann abonnieren Sie uns und bewerten KN:IX talks auf der Plattform Ihres Vertrauens. Wenn Sie mehr zu KN:IX erfahren wollen, schauen Sie doch auf unserer Webseite www.kn-ix.de vorbei. Und wenn Sie sich direkt bei uns melden wollen, dann können Sie das natürlich auch machen. Mit einer Email an info [at] kn-ix.de. Wir freuen uns über Ihre Anmerkungen und Gedanken. KN:IX wird durch das Bundesprogramm Demokratie leben! des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Weitere Finanzierung erhalten wir von dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Sachsen-Anhalt, der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und im Rahmen des Landesprogramms Hessen. Aktiv für Demokratie und gegen Extremismus. Die Inhalte der Podcast-Folgen stellen keine Meinungsäußerungen der Fördermittelgebenden dar. Für die inhaltliche Ausgestaltung der Folge trägt der entsprechende Träger des Kompetenznetzwerks „Islamistischer Extremismus“ die Verantwortung.

 

Weiterführende Links

Romina Wiegemann & Lea Güse

https://zwst-kompetenzzentrum.de/team/

 

Carl Hildebrandt

https://campusruetli.de/

 

Chernivsky, M./Hartmann D./Klammt, B./Mkayton N./Rachow E./Scheuring, J. und Wiegemann. R. (2021): Antisemitismus? Gibt´s hier nicht. Oder etwa doch? Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment / Yad Vashem. https://zwst-kompetenzzentrum.de/wp-content/uploads/2022/01/YV_ANTIS_DIG_HR_singlepages.pdf [abgerufen: 09.04.2024].

 

Podcast RADIS redet (2024): Nahostkonflikt: Polarisierter Diskurs zwischen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. RADIS. https://open.spotify.com/show/6rOPUi0vEn6xf69PZYSGzU?go=1&sp_cid=55e05be24aad06b46f2113ea7b339eaa&utm_source=embed_player_p&utm_medium=desktop&nd=1&dlsi=d2351860c07849a4 [abgerufen: 09.04.2024]

Den Podcast hören auf