#schongelaufen – COVID-19 Verschwörungsmythen im Kontext „Religiös begründeter Extremismus“

Im Rahmen des Online-Workshops am 19.März 2021 kamen Fachkräfte aus Praxis und Wissenschaft zusammen, um gemeinsam die thematische Schnittstelle Verschwörungsmythen und religiös begründeter Extremismus zu diskutieren. Ein besonderer Fokus lag auf den Fragen, inwieweit sich verschwörungsmythische Narrative im Zuge der Pandemie verändert haben und welche Auswirkungen sich dadurch auf Radikalisierungsprozesse beobachten lassen.

Die Veranstaltung startete mit einem Input von Martin Zabel (Karl-Arnold-Stiftung), der einen Überblick über Verschwörungsmythen im Phänomenbereich „Islamistischer Extremismus“ gab und ihre Funktionsweise anhand von Beispielen aus der internationalen islamistischen Szene erläuterte. Jakob Guhl (Institute for Strategic Dialogue) ergänzte diese Ausführungen mit einer phänomenübergreifenden Betrachtung des Online-Verhaltens von rechtsextremistischen und islamistischen Akteur*innen im deutschsprachigen Raum. Im Zuge der Pandemie hat die Reichweite von extremistischen Online-Akteur*innen kontinuierlich zugenommen. Dabei sind viele der Interpretationen der Pandemie nicht neu, sondern orientieren sich entlang präexistierender Ideologiemuster und Feindbilder und verknüpfen diese mit der aktuellen Krisen-Thematik. Hierbei gibt es keine einheitliche inhaltliche Linie, sondern es entstand eine Vielzahl an Interpretationsmöglichkeiten (Pandemie als göttliche Strafe, Test, Mahnung etc.). In der Diskussion mit den Teilnehmenden hat sich gezeigt, dass verschwörungsideologisches Denken phänomenunabhängig begriffen werden muss, da es häufig nicht um die Ideologie an sich geht, sondern eher um vorhandene persönliche Anfälligkeiten für Verschwörungsideologien.

 

Zentrale Diskussionspunkte:

  • Im Phänomenbereich „Islamistischer Extremismus“ zeigt sich eine große Varianz in Bezug auf die Interpretation der Pandemie und den Umgang mit dieser. Die Pandemie wird von islamistischen Extremist*innen zwar meist aus fundamentalistisch-religiöser Sicht und als „Strafe Gottes“ interpretiert, aber besonders hinsichtlich des Ursprungs und der Risiken des Virus gibt es widersprüchliche Haltungen innerhalb der Szene.
  • Verschwörungsmythen sind integraler Bestandteil extremistischer Ideologien und funktionieren dabei als Integrationsideologien, die Akteur*innen über unterschiedliche (extremistische) Spektren hinweg verbinden.
  • Extremistische Online-Akteur*innen, besonders aus dem Bereich des Rechtsextremismus konnten ihre Reichweite seit Beginn der Pandemie erheblich erweitern.
  • Daher braucht es eine phänomenübergreifende Betrachtung des Themenfelds. Verschwörungsideologien existieren unabhängig von einzelnen extremistischen Szenen und in der komplexen medialen Gesellschaft verschwimmen die Grenzen zwischen Lagern und Milieus.
  • Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass rechtsextremistische Akteur*innen die Pandemie stärker für sich instrumentalisieren als Islamist*innen. Grund dafür könnte sein, dass im säkularisierten Rechtsextremismus konkrete Akteure für die Pandemie verantwortlich gemacht werden können, während Islamist*innen glauben, dass Gott als Einziger wirken kann und lehnen daher Verschwörungsideologien zum Teil als menschengemacht ab.

 

 Weiterführende Links und Literatur

Guhl, Jakob/Gerster, Lea (2020): Krise und Kontrollverlust: Digitaler Extremismus im Kontext der Corona-Pandemie, Huberta von Voss-Wittig, Executive Director ISD Germany, https://www.isdglobal.org/isd-publications/krise-und-kontrollverlust-digitaler-extremismus-im-kontext-der-corona-pandemie/.

Interview mit Martin Zabel zu Corona-Verschwörungen bei Islam-ist: https://islam-ist.de/corona-verschwoerungen-im-islam/.

Tony Blair Institute for Global Change (2020): Snapshot: How Extremist Groups are Responding to Covid-19 https://institute.global/policy/snapshot-how-extremist-groups-are-responding-covid-19-24-march-2020

 

AUSBLICK

Der Fachaustausch an der Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft wurde von den Teilnehmenden begrüßt und weitere Formate, insbesondere mit einem phänomenübergreifenden Austausch, gewünscht. Als thematischer Anschluss wurde der Bedarf nach einem Austausch über den Umgang mit Verschwörungsmythen und eine Diskussion von möglichen Methodenansätzen geäußert.

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