Netzwerke ausbauen – Nachhaltige Kooperationen schaffen

Netzwerke ausbauen – Nachhaltige Kooperationen schaffen

Empfehlungen zur proaktiven Stabilisierung von Zugangswegen zu Zielgruppen der selektiven und indizierten Prävention

Der Artikel von Thomas Mücke und Johanna West (Violence Prevention Network) erschien ursprünglich im KN:IX Report 2022.

Die schwierigste Phase der Deradikalisierungs- und Distanzierungsarbeit mit Klient*innen der selektiven und indizierten Prävention ist die Kontaktaufnahme. Der Aufbau einer Vertrauensbasis zum*zur Klient*in stellt eine überaus anspruchsvolle Aufgabe dar, da meist junge Menschen erreicht werden sollen, die sich bereits von der Gesellschaft und den staatlichen Strukturen entfremdet haben. Mit dem Eintauchen in extremistische Szenen und den damit einhergehenden Isolationstendenzen kommt es häufig zu einer Abschottung gegenüber der als feindlich wahrgenommenen Außenwelt. Wie können solche Personen erreicht werden?

Dieser Herausforderung stellen sich zivilgesellschaftliche Akteur*innen der selektiven und indizierten Prävention, indem sie verschiedene Zugangswege zu ihren Klient*innen ausloten und sichern. Als Zugangswe-ge lassen sich dabei reaktive und proaktive Ansprachen unterscheiden, die sowohl offline als auch online erfolgen und umfeld- bzw. lebensweltbezogen oder individuell, direkt und personenbezogen sein können. Ein weiterer wichtiger Zugangsweg zu den Klient*innen entsteht durch Kooperationen mit Behörden, Schulen, Fachkräften und Multiplikator*innen im Feld, die Fälle an die Beratungsstellen überweisen. Doch was gilt es dabei zu beachten? Gerade die proaktive Ansprache stellt die Extremismusprävention vor große Herausforderungen. Wie können relevante Klient*innen identifiziert werden, ohne Stigmatisierung und Vorurteile zu fördern? Diesen Fragen nähern wir uns im Folgenden an, um anschließend Empfehlungen zur Stabilisierung der Fallzugangswege geben zu können.

Klient*innenzugang durch aufsuchende Ansätze

Der direkte Kontaktaufbau zu Klient*innen gelingt durch aufsuchende Berater*innen, die sich nicht in die Vermittlung von Gegennarrativen verstricken, sondern zunächst eine grundsätzlich interessierte Haltung gegenüber den Betroffenen und ihrer Lebenssituation einnehmen. Die radikalisierte Person wird über lebensweltnahe Ansprachen und niedrigschwellige Angebote direkt adressiert. Die Berater*innen nehmen die Klient*innen mit ihren individuellen Stärken und Schwächen an und reduzieren sie nicht auf ihre extremistischen Einstellungen oder Taten. In der Beratung geht es um das Verstehen der Entwicklungen und nicht um ein Verständnis für die Taten. Es gilt, das Denken, Fühlen und Handeln der Klient*innen nachzuvollziehen, ohne es dabei zu rechtfertigen. Diese Akzeptanz kann dazu führen, dass die Klient*innen sich schrittweise für die Beratung öffnen. Berater*innen müssen besonders darauf achten, dass sie authentisch bleiben, um für die Klient*innen kongruente und nahbare Gesprächspartner*innen sein zu können. Dazu gehört ein fortwährendes selbstkritisches Betrachten der eigenen professionellen Arbeitsweise persönlich und als Team (vgl. Mücke 2020). Die Haltung der Berater*innen und die Kenntnis der Lebenswelten junger Menschen sind unverzichtbare Bedingungen für eine gelingende Kontaktaufnahme.

Erfahrene Berater*innen sollten beides mitbringen und können in dieser Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen auch von Aussteiger*innen der extremistischen Szene unterstützt werden. Dieser Zugang ist nicht unproblematisch (vgl. RAN 2017), doch können ehemalige Extremist*innen unter professioneller Anleitung und Begleitung eine besondere Bedeutung erhalten. Sie können beispielhaft zeigen, dass es möglich ist, sich von der jeweiligen Szene zu lösen und das eigene Leben zu verändern. Sie können es schaffen, sich mit Klient*innen auf einer lebensweltnahen Ebene zu treffen – gerade durch ihre eigene, persönliche Geschichte – und können nachfühlen, was eine Person während eines Ausstiegs erlebt (vgl. RAN 2017). Die eigene Biografie kann dabei ein wertvolles Handwerkszeug in der Beratungsarbeit sein und beispielhaft aufgearbeitet werden. Dies kann vor allem in sozialen Milieus erfolgen, in denen gegenüber Polizei und Staat eher Misstrauen herrscht. Möglicherweise sprechen Aussteiger*innen eine dem*der Klienten*in vertraute Sprache und finden dadurch besser Zugang zu bereits radikalisierten Personen oder vulnerablen Zielgruppen (vgl. Tapley/Clubb 2019). Hat eine Person Zweifel und erkennt Widersprüche, können Aussteiger*innen von Bedeutung sein, um einen Ausstieg weiter voranzutreiben (vgl. RAN 2017).

Die besondere Bedeutung von Aussteiger*innen:

  • Aussteiger*innen können wichtige Schlüsselpersonen für den Zugang zu Personen sein, die durch andere Menschen nicht mehr erreicht werden. Sie können den schwierigen Distanzierungsprozess empathisch begleiten, kennen die Risikofaktoren aus der eigenen Biografie und haben eine gute Kenntnis über praxisnahe Lösungsstrategien.
  • Aussteiger*innen sind interessante und authentische Erzähler*innen und können damit eine sinnvolle Ergänzung der Präventionsprogramme sein.
  • Aussteiger*innen haben einen aufgrund ihrer Szenekenntnisse eigenen Blick auf den Fall und können somit ein wichtiges Korrektiv zur sozialarbeiterischen Sichtweise darstellen.
  • Aussteiger*innen haben Wissen über Rekrutierungsstrategien der extremistischen Szene und deren Dynamiken. Sie können damit einen Beitrag leisten, extremistische Gefahren frühzeitig zu erkennen.

Wenn ehemalige Extremist*innen eingebunden werden, um neue Zugänge zu vulnerablen und extremismusgefährdeten jungen Menschen zu schaffen, müssen jedoch auch mögliche negative Einflüsse und Risiken bedacht werden. So sind Rückfälle in den Extremismus bei Aussteiger*innen auch Jahre nach ihrem Verlassen der Szene möglich. Außerdem qualifiziert der Status als Aussteiger*in nicht automatisch für eine Mentor*innenrolle, zusätzliche Ausbildungen sind in der Regel erforderlich. Auch können Aussteiger*innen aufgrund ihrer eigenen Betroffenheit nicht immer eine professionelle Distanz zu ratsuchenden Menschen garantieren (vgl. RAN 2017).

Klient*innenzugang durch Kooperationsstrukturen

Ein authentisches Auftreten professioneller Berater*innen und ihr Bezug zum Lebensraum der Klient*innen sind nicht nur bei der direkten, aufsuchenden Kontaktaufnahme ausschlaggebend. Auch beim Aufbau von Kooperationsstrukturen mit zugangsschaffenden Institutionen und Personen, wie etwa Schulen oder Moscheegemeinden, sind diese beiden Faktoren erfolgversprechend. Die enge Zusammenarbeit mit solchen Kooperationspartner*innen ist für den Zugang zu den Klient*innen von großer Bedeutung. Denn nur selten wendet sich eine gefährdete Person selbst an eine Beratungsstelle oder ein Ausstiegsprogramm. Oftmals sind es Angehörige oder Freund*innen, aber auch Institutionen und Personen im sozialen Umfeld wie Schulen, Jugendeinrichtungen oder Jugendamtsmitarbeiter*innen, die sich an die Beratungseinrichtung wenden und so einen ersten Kontakt zur betroffenen Person ermöglichen. Daher ist die informelle Vernetzung mit unterschiedlichen Akteur*innen für die Fallakquise ein zentraler Faktor. Grundsätzlich zeigt sich auch im weiteren Verlauf, dass gerade solche Distanzierungsangebote angenommen werden, die in kommunalen bzw. lokalen Strukturen verankert sind und – mit Unterstützung von Multiplikator*innen, Personal und Fachkräften – in möglichst diverse Lebensbereiche (behördlich, politisch, zivilgesellschaftlich) relevanter Zielgruppen hineinreichen (vgl. Praßer et al. 2018). Die indirekte Arbeit mit Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld einer extremismusgefährdeten bzw. extremistischen Person hat mehr Aussicht auf Erfolg, wenn diese Schlüsselpersonen gut und authentisch in einer Zielgruppen-Community vernetzt sind und glaubwürdig auftreten. Die Berater*innen können auf diese Weise mithilfe des sozialen Umfelds Distanzierungsprozesse bei der betroffenen Person begleiten und eine Deradikalisierung anstoßen.

Um möglichst proaktiv Zugänge zu Klient*innen zu finden und Fälle in möglichst frühen Phasen von Radikalisierung zu akquirieren, spielen effektive Kooperationsstrukturen und eine informelle Vernetzung im Feld eine bedeutende Rolle (vgl. Gruber et al. 2016: 36). Als zentrale Handlungsfelder für eine Professionalisierung der Fallakquise haben sich dabei neben dem sozialen Umfeld der radikalisierten bzw. radikalisierungsgefährdeten Person insbesondere die Polizei und Sicherheitsbehörden, Jugendämter und Jobcenter, Schulen sowie muslimische Communitys erwiesen. (1)

Gelingensbedingungen von Kooperationsstrukturen in unterschiedlichen Handlungsfeldern

Beim Ausbau von Kooperationsstrukturen zeigen sich je nach Handlungsfeld unterschiedliche Herausforderungen. Neben strukturellen Hürden können mitunter Vorurteile und fehlendes Wissen über die Arbeit einer Beratungsstelle dazu führen, dass die Bereitschaft gering ausfällt, Zeit und Raum für eine Kooperation zu schaffen. Die Vorbehalte betreffen etwa Sinn und Erfolgsaussichten des pädagogischen Ansat- zes der Präventionsarbeit. Durch fehlendes Verständnis für die unterschiedlichen Rollen und Aufträge der beteiligten Akteur*innen können Misstrauen und Konkurrenzdenken entstehen, die einen Austausch auf Augenhöhe verhindern.

So fürchten etwa Mitarbeitende in Behörden nicht selten, dass es als Ausdruck mangelnder Kompetenz gesehen wird, wenn sie externe, für die Bearbeitung von islamistischem Extremismus spezialisierte Fachkräfte beauftragen oder hinzuziehen. Eigene Unsicherheiten im Umgang mit extremistisch gefährdeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden jedoch nicht immer ausreichend reflektiert und eingestanden. Häufig spielt dabei auch der Wunsch eine Rolle, Konflikte selbst lösen zu wollen, oder die Meldung und Weitervermittlung an eine Beratungsstelle wird nicht als Teil des eigenen Aufgabenbereichs verstanden. Auch unterschiedliche Einschätzungen bezüglich des Radikalisierungspotenzi- als können dazu führen, dass eine Kooperation mit den Beratungsstellen nicht als sinnvoll angesehen wird. Der Mehrwert einer Zusammenarbeit wird so mitunter aufgrund mangelnder Sensibilität für den Themenbereich nicht erkannt, gerade bei Verdachtssachverhalten fehlt häufig ein Problembewusstsein. (2)

Insbesondere beim Zugang zu muslimischen Communitys, Moscheegemeinden sowie islamischen Organisationen und Einrichtungen liegen spezifische Gelingensbedingungen und Voraussetzungen vor.19 Fahim/Ghandour verweisen in diesem Zusammenhang auf Stigmatisierungen, die – basierend auf Zuschreibungen in Richtung „Islam“ und „Muslim*innen“ – den Aufbau von Kooperationsstrukturen belasten können. Vor diesem Hintergrund fürchten Gemeinden und Verbände zum Beispiel, unter Extremismusverdacht zu geraten und vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, wenn sie mit einem Träger aus dem Bereich der Deradikalisierung zusammenarbeiten. Auch wenn Communitys aufgrund öffentlicher Diskurse vermuten, dass Präventionsträger hauptsächlich staatliche Sicherheitsinteressen verfolgen, erschwert dies den Zugang zu gefährdeten Zielgruppen über den Weg der muslimischen Gemeinden (vgl. Dantschke/Köhler 2013: 19). Ohnehin ist deren Vertrauensverhältnis zu staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen nicht zuletzt aufgrund von zunehmendem antimuslimischem Rassismus häufig beschädigt und die Zusammenarbeit vielfach durch „strukturelle Asymmetrien und Misstrauen gegenüber dem Präventionsanliegen geprägt“ (Deutscher Bundestag 2017).

Hinzu kommt auch hier die Angst vor Imageverlust. Häufig wird die Zusammenarbeit mit Deradikalisierungsträgern als Eingeständnis verstanden, nicht selbst in der Lage zu sein, mit diesen Fällen umgehen und die Probleme intern lösen zu können. Mitunter fehlt es auch am Verständnis für den pädagogischen Ansatz von Beratungsarbeit und für die Komplexität von Radikalisierungsprozessen, deren Begegnung es erfordert, Alltag und Lebenswelten gefährdeter Personen in die pädagogische Arbeit zu integrieren und nicht etwa ausschließlich auf theologischer Ebene zu arbeiten – könnte es doch bei einer ausschließlich theologischen Bearbeitung unter anderem zur „Vernachlässigung gesellschaftlicher, politischer, familiärer und psychologischer Einflussfaktoren auf Radikalisierungsprozesse“ (El-Mafalaani et al. 2016: 19) kommen, die zu beachten für Deradikalisierungsprozesse unerlässlich ist. Auch im Handlungsfeld Schule hat sich die Angst vor einem Imageverlust und einer Stigmatisierung der Schüler*innen als Hürde für die Ein-bindung von spezialisierten Beratungsstellen erwiesen. Es wird befürchtet, aufgrund der Zusammenarbeit mit einer Beratungsstelle im Bereich „Islamistischer Extremismus“ öffentlich als Problemschule bzw. -einrichtung dazustehen.

Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit im Bereich der Fallakquise sind in allen zugangsschaffenden Handlungsfeldern Vertrauen und eine Kommunikation, die sich durch Augenhöhe und Wertschätzung auszeichnet. Offenheit und Interesse für die Thematik und den Präventionsansatz ist ausschlaggebend für eine nachhaltige Zusammenarbeit, auf deren Basis Falltransfers gelingen können. Deswe-gen gilt es, in enger Beziehungsarbeit ein gegenseitiges Verständnis für den jeweiligen Ansatz und die unterschiedlichen Rollen, Methoden und Arbeitsaufträge aufzubauen und so mögliche Vorbehalte abzubauen und eine Kommunikation auf Augenhöhe zu etablieren. Zudem müssen stabile Rahmenbedingungen für einen gemeinsamen Austausch geschaffen werden, in dem die Chancen multiperspektivischer Fallarbeit verdeutlicht werden und in dem immer wieder herausgestellt wird, dass ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. Auch durch Fortbildungen und Sensibilisierungsmaßnahmen, die Präventionsträger für Behördenvertreter*innen und Multiplikator*innen in den genannten Arbeitsfeldern anbieten, kann ein Problembewusstsein für das Themenfeld und für die Aufgaben und Methoden von Beratungsstellen geschaffen werden.

Empfehlungen für die Praxis

Dem in der Islamismusprävention hohen Stigmatisierungspotenzial kann durch breit gefächerte, niedrigschwellige und lebensweltorientierte Beratungsangebote begegnet werden, die erste Zugänge ermöglichen. Besonders förderlich ist im Weiteren das Auftreten von Beratungskräften als authentische, glaubwürdige, verständnisvolle Ansprechpartner*innen, die im besten Fall Identifikationsmöglichkeiten bieten, auf deren Grundlage eine persönliche Beziehung entstehen kann, die auf Vertrauen basiert und durch beständige und zeitaufwendige Pflege aufrechterhalten und gestärkt werden muss. Neue Zugangswege können über Aussteiger*innen oder digitale Ansprachen und Formate geschaffen werden – hier stellen sich weitere Herausforderungen für eine Professionalisierung der Fallakquise.

Als förderlich für die Fallakquise haben sich auch langjährige Kooperationsstrukturen und eine intensive Vernetzung von Präventionsträgern mit Akteur*innen in relevanten Handlungsfeldern erwiesen. So sind effektive Kooperationen insbesondere mit Institutionen und Einzelpersonen entstanden, die bereits positive Erfahrungen und Erlebnisse mit Projektmitarbeiter*innen der Beratungsstellen bzw. dem Träger gemacht haben, auch wenn diese mitunter in anderen Kontexten stattgefunden hatten. Gerade in Handlungsfeldern mit hohem Stigmatisierungspotenzial können solche Kontakte und Kooperationen durch Präventions- und Empowerment-Workshops, Austauschformate und das Angebot themenspezifischer Begleitung noch gefördert werden.

Im Zuge dieser Kontaktaufnahme und der Etablierung von Kooperationsstrukturen können Personen mit Interesse am Themenbereich, an einer Zusammenarbeit und am pädagogischen Ansatz als Schlüsselpersonen dienen. Bei der Suche nach solchen Schlüsselpersonen können wiederum Organisationen und Einrichtungen als Türöffner einbezogen werden, die bereits das Vertrauen einer Moscheegemeinde oder einer Schule gewonnen haben. Solche Organisationen und Einrichtungen im weiteren Umfeld von Zielgruppen können zu wichtigen Vermittlern werden – denn die formelle und informelle Vernetzung von Trägern der Präventionsarbeit im Feld ist entscheidend für eine Verstetigung der Fallakquise. Auch der bestehende, auf Vertrauen und eingeübter Praxis basierende Austausch zwischen der Trägerlandschaft und den Sicherheitsbehörden kann hier als Beispiel für eine gelungene Kooperation in der Fallakquise angeführt werden.

Erfolgsfaktoren Strategien
Verständnis von (De-)Radikalisierung
als gesamtgesellschaftlichem Ansatz
Sensibilisierungsmaßnahmen: Workshops, Fortbildungen, Schulungen
Problembewusstsein für das Themenfeld und Verständnis für die Aufgaben bzw. den Auftrag der Beratungsstellen Sensibilisierungsmaßnahmen: Workshops, Fortbildungen, Schulungen

Informationsveranstaltungen, Austauschformate, gemeinsame
Fallarbeit

Schlüsselpersonen in den Handlungsfeldern und institutionelle Schlüssel- und Vermittlungskontakte Umfassende Vernetzungsarbeit (formell und informell)

Einbeziehung weiterer Träger oder Institutionen als Türöffner bzw. Vermittler

Verankerte Strukturen der Kooperation und Zusammenarbeit Treffen fester Vereinbarungen mit Einrichtungen und Behörden bzgl. des Ablaufs bei Verdachtsfällen

Professionalisierung ehrenamtlicher Strukturen durch Qualifizierungsangebote

Schaffung entsprechender Strukturen und Ressourcen

Niedrigschwellige, geregelte Rahmenbedingungen

Vertrauen, Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe Langfristige und andauernde Kommunikation

Persönlicher Kontakt

Niedrigschwellige Kontaktaufnahme und Angebote

Breite Themenaufstellung

Beziehungspflege

Austausch über Rollen- und Aufgabenverteilung

 

Anmerkungen

(1) Die folgenden Erkenntnisse basieren zum großen Teil auf den Ergebnissen des vom BAMF geförderten Projekts „Zugangswege erweitern – Professionalisierung der Fallakquise im Bereich
islamistischer Extremismus“ vom Violence Prevention Network. Im Rahmen des Projekts wurden im Zeitraum 2021–2022 erste grundlegende Erkenntnisse gewonnen, welche Zugangswege effektive Kooperationsstrukturen und eine Stabilisierung der Fallakquise versprechen. Darüber hinaus konnten sowohl erfolgsmindernde Faktoren als auch wirksame Methoden und Strategien identifiziert werden. Mittels einer Bedarfsanalyse wurden bisher unterrepräsentierte Zugangswege ermittelt, die anschließend in der Phase des methodischen Testing erprobt wurden. Zum Vergleich wurden zwei Bundesländer ausgewählt, ein Stadtstaat (Berlin) und ein Flächenstaat (Hessen), um differenzierte Transferempfehlungen für andere Bundesländer zu entwickeln. Zur Auswertung der erprobten Zugangswege hinsichtlich Herausforderungen und Gelingensbedingungen wurden qualitative, teilstrukturierte Expert*inneninterviews mit den Projektdurchführenden geführt.

(2) Ein tragfähiges System zur institutionalisierten Kommunikation zwischen Beratungsstellen und Behörden bietet beispielsweise das Hessische Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE). Das HKE koordiniert und vernetzt die landesweiten Bemühungen zur Prävention und Intervention gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen aus allen Bereichen des Extremismus zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen.

(3) Das „Präventionsnetzwerk gegen religiös begründeten Extremismus“ warnt besonders vor einer undifferenzierten Zielgruppendefinition, ausschließlich basierend auf der zugeschriebenen Gruppen-, hier Religionszugehörigkeit, die Stigmatisierung und Vorurteile befördern könne. Diese Gefahr bestehe besonders, wenn im Vorfeld der Maßnahmen keine oder nur eingeschränkte Kontakte und Beziehungen zu muslimischen Gemeinden bestanden. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass eine Vertrauensbasis in muslimischen Gemeinden solchen Gefahren entgegenwirken könne (siehe Fahim/Ghandour 2019).

Die Autor*innen

Thomas Mücke ist Dipl.-Pädagoge und Dipl.-Politologe sowie Mitbegründer und Geschäftsführer von Violence Prevention Network. Er ist zudem bundesweit als Dozent, Referent und Coach zu Methoden der Antigewaltarbeit, Konfliktmanagement, Jugendarbeit und Straßensozialarbeit sowie den Themen Islamismus und Rechtsextremismus tätig.

Johanna West (M. A. Interdisziplinäre Antisemitismusforschung) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei
Violence Prevention Network. Als Sozialwissenschaftlerin setzt sie sich intensiv mit den Themen Gender, Radikalisierung und Islamismus auseinander.

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