#schongelaufen – Einflussreiche Gruppen: Die Ausdifferenzierung der islamistischen Szene

EINLEITUNG

Hizb-ut-Tahrir, Furkan-Gemeinschaft, Salafist*innen – diese Namen sind vielen bekannt. Wer genau sich hinter den Gruppen verbirgt, welche Ziele diese Gruppen verfolgen, welche Online-Inhalte diese Gruppierungen verbreiten, und welche Verbindungen zwischen den Gruppen bestehen ist weniger bekannt. Im Rahmen der Konzeptwerkstatt wurden diese Fragen aufgegriffen und unter anderem diskutiert, wie mit der zunehmenden Hybridisierung und Diversifizierung der Szene in der praktischen Beratungstätigkeit umgegangen werden kann.

Ziel dieses Workshops war es, in der Diskussion mit Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen, die sich in der Beratung oder ihrer Recherche mit Online-Inhalten islamistischer Akteur*innen auseinandersetzen, auf die zunehmende Ausdiffferenzierung der islamistischen Szene einzugehen. In Kleingruppen und im Plenum wurden Fragen aufgegriffen, die die Teilnehmenden aus ihrer praktischen Arbeit einbrachten. Mittels eines kurzen Video-Inputs wurden weitere Diskussionspunkte eröffnet, die im Plenum besprochen wurden.

Ablauf der Veranstaltung

Die Veranstaltung wurde moderiert und organisiert von Navid Wali und Margareta Wetchy. Nach einer Vorstellungsrunde wurden im Plenum aktuelle Beobachtungen und Fragen gesammelt. Zentral wurde dabei besprochen, dass die Verortung von Online-Akteur*innen zunehmend schwer fällt, da die Inhalte stark diversifiziert sind, und sich nur wenige Online-Persönlichkeiten dem „klassischen“ Salafismus zuordnen lassen. Dynamiken zwischen islamistischen und rechtsextremen Online-Akteur*innen wurden hinsichtlich deren potenzieller Kooperation und weltanschaulichen Ähnlichkeiten ebenso diskutiert wie hinsichtlich ihrer Unterschiede. Als wichtiger Punkt wurde hervorgehoben, dass eine zu starke Fokussierung auf Online-Inhalte in der Beratungstätigkeit Gefahr läuft, die realen Sorgen und Probleme von Jugendlichen zu verschleiern, die jedoch primär in der Beratung aufgearbeitet werden müssen. Die Auseinandersetzung mit Online-Inhalten hilft jedoch dabei, einen Überblick über Argumentationen und Narrative zu bewahren, die in der Szene kursieren.

Diskussionspunkte

  • Wie sind bestimmte Akteur*innen einzuordnen? Bestehen Verbindungen zu bekannten Gruppen?
  • In welche Richtung ist eine zunehmende Hybridisierung zu beobachten? In welche Richtung entwickelt sich die Szene?
  • Welche Auswirkungen hat solch eine Hybridisierung? Wie kann dieser in der Beratung begegnet werden? Muss dieser begegnet werden?
  • Welche Ziele verfolgen Gruppen wie Muslim Interaktiv? Wie unterscheiden sich diese von „klassischen“ Salafist*innen?
  • Welchen Einfluss haben die Mechanismen von Social-Media-Plattformen auf die Inhalte und die Prägung von Online-Akteur*innen?

Schlüsselergebnisse

  • Zunehmende Hybridisierung der Inhalte und Akteur*innen macht es immer schwieriger, diese ideologisch zu verorten. Es ist zunehmend eine Herausforderung für die Präventionsarbeit, einen Überblick über die dynamische Szene zu erlangen.
  • Verbindungen zwischen Gruppen sind häufig unklar, ebenso wie die ideologische Verortung, teils sind diese Informationen jedoch auch nicht in jedem Detail relevant für die Beratungsarbeit.
  • Dynamiken zwischen Islamist*innen und Rechtsextremen: Brückennarrative, Co-Radikalisierung versus Abgrenzung und Schärfung der eigenen Identität entlang der jeweils anderen Gruppe. Die Teilnehmenden sind sich teils uneins, inwieweit die Gruppen sich gegenseitig „nutzen“, um die eigene Rhetorik zu bestärken bzw. sich aktiv bekämpfen.
  • Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit als Themen, die auch Inhalte von Extremist*innen für Jugendliche interessant machen und damit Anschlussfähigkeit schaffen. Gleichzeitig ist auch die Erkenntnis zentral, dass bei weitem nicht all jene, die Diskriminierung erfahren, anfällig für Extremismus sind.
  • Eine zu starke Fokussierung auf Online-Inhalte verschleiert die Krisen, in denen Jugendliche in der realen Welt stecken. Diese müssen zentral bearbeitet werden in der Beratung – die Auseinandersetzung mit Online-Inhalten ist da erstmal zweitrangig.

 

AUSBLICK

Die zunehmende Diversifizierung der islamistischen Szene wird auch weiterhin eine Herausforderung für die Deradikalisierungs- und Beratungsarbeit darstellen. Während eine Einordnung von Online-Akteur*innen zunehmend schwerer fällt, stellt sich in der Diskussion jedoch auch heraus, dass diese in der praktischen Beratungstätigkeit nicht immer zentral ist. Die Auseinandersetzung mit vorgebrachten Themen und Narrativen erscheint dabei deutlich gewinnbringender. Informationen über die Rolle von weiblichen Akteurinnen in der Szene sind nach wie vor selten und sollten in zukünftigen Veranstaltungen aufgegriffen werden.

 

Literaturverweise

Bayaral, Adem. 2021. „Die Furkan-Gemeinschaft: Ansätze für Beratung und Prävention“. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/infodienst/333779/die-furkan-gemeinschaft/, (Stand: 22.06.2023).

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Klevesath, Lino; Munderloh, Annemieke; Hild, Marvin; Sprengeler, Joris. Fodex-Studie 10. Der „Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim“. https://www.fodex-online.de/publikationen/dik-hildesheim/. (Stand: 05.07.2023).

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Schmidinger, Thomas. 2020. „‘Legalistischer Islamismus‘ als Herausforderung für die Prävention. Was tun, wenn Gewalt nicht das Problem ist?““ https://www.bpb.de/themen/infodienst/322922/legalistischer-islamismus-als-herausforderung-fuer-die-praevention/, (Stand: 22.06.2023).

Vogel, Heiner. 22.11.2022. „Ein Haufen Schutt. Die salafistisch-dschihadistische Szene im Umbruch“ Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/infodienst/515398/ein-haufen-schutt/?pk_campaign=nl2022-11-24&pk_kwd=515398. (Stand: 05.07.2023).

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