#schongelaufen – Randbereiche des Islamismus auf Social-Media

EINLEITUNG

Das Monitoring von Online-Aktivitäten von Akteur*innen, die im weitesten Sinne dem Islamismus zugeordnet werden, zeigt, dass es einige Accounts gibt, die wohl mit dem Ökosystem in Kontakt zu stehen scheinen, jedoch nicht in der selben Intensität oder Art und Weise islamistische Inhalte verbreiten. Dazu gehören zum Beispiel Musiker*innen, die Anasheed produzieren, oder Influencer*innen, die in Interaktion mit islamistischen Akteur*innen treten. Einerseits ist es für die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit zentral, eine strikte Trennung zwischen islamistischen und nicht-islamistischen Akteur*innen vorzunehmen, um keinesfalls zu einer Stigmatisierung beizutragen. Andererseits ist es eine der Aufgaben des Monitorings, die Entwicklungen im Online-Ökosystem zu verfolgen – zu dem eben auch Personen zu gehören scheinen, die nicht selbst als aktive Produzent*innen islamistischen Contents in Erscheinung treten. Den Fragen, die sich aus diesem Spannungsverhältnis ergeben, sollte diese KN:IX-Konzeptwerkstatt nachgehen.

Ablauf der Veranstaltung

Die Veranstaltung wurde moderiert und organisiert von Niklas Brinkmöller und Luis Kreisel. Nach einer kurzen anfänglichen thematischen Einführung wurden erste Fragen seitens der Teilnehmenden gesammelt. Im Anschluss an einige Video-Inputs und deren Diskussion wurden zentrale Diskussionspunkte im Plenum besprochen. Fragen rund um Bezüge zwischen Offline- und Online-Sphären und den unmittelbaren Bezug zur praktischen Beratungstätigkeit standen im Fokus der Diskussion. Zudem wurde erörtert, welche Effekte es haben könnte, wenn Akteur*innen aus dem Mainstream mit islamistischen Akteur*innen kooperieren und anhand welcher Kriterien eine Zuordnung zum Ökosystem erfolgen kann.

Diskussionspunkte

  • Gibt es einen Transfer von Entwicklungen von der Online- in die Offline-Welt?
  • Begegnen Praktiker*innen Formen der angesprochenen Beispiele in ihrer Beratungsarbeit?
  • Was sind die Effekte und Folgen einer Kooperation oder Bezugnahme von Akteur*innen aus dem Mainstream mit feldrelevanten Akteur*innen?
  • Wie lässt sich die Relevanz von Akteur*innen im Randbereich bemessen?
  • Schwierigkeit einer Verortung/Kategorisierung von Akteur*innen, die sich selbst nicht explizit äußern, aber im weitesten Sinne Teil des Ökosystems sind.

Schlüsselergebnisse

  • Vereinzelt wurde von Teilnehmer*innen angemerkt, dass die Onlineaktivitäten von Klient*innen in der Beratungspraxis keine Rolle spielten.
  • Mehrere Teilnehmer*innen haben die Beobachtung gemacht, dass die Rezipient*innen (und auch die Zielgruppe?) von Onlineaktivitäten jünger geworden sind als noch vor 10 Jahren (berichtet wird sogar von Kindern ab dem Alter von 12 Jahren). Auch würden vermehrt junge Leute (auch weibliche) eigene dawa-Accounts betreiben. Insbesondere TikTok wurde in diesem Zusammenhang als relevante Plattform genannt.
  • Teilnehmende beobachten ebenfalls Netzwerke und Querverbindungen zwischen Akteur*innen im Randbereich des Islamismus. Damit verbundenen war die Frage, wie diese Verbindungen einzuordnen sind.
  • Mehrere Teilnehmenden gaben an, die ausgewählten Beispiele von Accounts bisher nicht gekannt zu haben.
  • Mehrere Teilnehmenden betonten den finanziellen Aspekt von Coaching und ruqya-Angeboten (Angebote für Bittgebete/Rituale zur Heilung) für die Akteur*innen.

AUSBLICK

Für die weitere Arbeit von KN:IX wird es zentral sein, verstärkt auch auf Randphänomene zu achten, die potenziell in der Zukunft von größerer Bedeutung für das Ökosystem sein könnten. Des Weiteren gilt es, Online-Aktivitäten auch jenseits von bestehenden Einordnungsversuchen und Begrifflichkeiten zu beobachten, die häufig nicht vollständig auf die Inhalte auf Social Media zutreffen.

 

Literaturverweise

Amadeu Antonio Stiftung. 2019. „Online-Lebenswelten als Orte der Radikalisierung. Hate speech in islamistisch, türkisch- und russisch-nationalistisch geprägten Online-Szenen“. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/01/Online-Lebenswelten-Web.pdf, letzter Aufruf: 14.04.2023.

Baaken, Till; Meyer, Matthias. 2019. “Die Peripherie des Extremismus auf YouTube / Die Blase“. https://modus-zad.de/publikation/blog/die-blase-der-peripherie/, letzter Aufruf: 11.09.2023.

Baaken, Till, Friedhelm Hartwig, und Matthias Meyer. 2019. „Modus Insight – Die Peripherie des Extremismus auf YouTube.“ Letzter Zugriff am 05.09.2023. https://modus-zad.de/wp-content/uploads/2020/03/modus_insight_Die_Peripherie_Des_Extremismus_auf_YouTube2020.pdf.

Comerford, Milo, Moustafa Ayad, und Jakob Guhl (2021) „Generation Z & Das Salafistische Online-Ökosystem: Executive Summary.“ London: Institute for Strategic Dialogue. Letzter Zugriff am 05.09.2023. https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2021/12/Exec.-Sum.-Generation-Z-das-salafistische-Online-Okosystem.pdf.

Hartwig, Friedhelm, Johanna Seelig, und Derya Buğur. 2023. „Monitoring der Peripherie des religiös begründeten Extremismus (PrE)“. modus | zad – Zentrum für angewandte Deradikalisierungsforschung und Bundeszentrale für politische Bildung. Letzter Zugriff am 13.08.2023. https://www.bpb.de/lernen/bewegtbild-und-politische-bildung/themen-und-hintergruende/322791/randbereiche-des-extremismus-auf-youtube-instagram-und-tiktok/

Johann, Michael, und Michael Oswald. 2019. Emotional effects of terroristic communication: Between professional propaganda and media coverage. Journal for Deradicalization, 19:219–258.

Reinke de Buitrago, Sybille. 2020. „Radikalisierung, Online-Diskurse und Emotionen“. In Emotionen in den Internationalen Beziehungen, Hrsg. Simon Koschut, 213–230. Baden-Baden: Nomos.

Klevesath, Lino; Munderloh, Annemieke; Sprengler, Joris; Grahmann, Florian; Reiter, Julia. 2021. “Radikalislamische YouTube-Propaganda. Eine qualitative Rezeptionsstudie unter jungen Erwachsenen”. Bielefeld: Transcript.

Landes-Demokratiezentrum (LDZ) Niedersachsen. 2022. Neue Wege finden: Aktuelle Formen islamistischer Agitation. Letzter Zugriff am 13.08.2023. https://ldz-niedersachsen.de/html/download.cms?id=146&datei=neuewege_mag_v11a_ansicht-146.pdf

 

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IFAK e.V.

Die IFAK e.V. – Verein für multikulturelle Kinder- Jugendhilfe und Migrationsarbeit ist eine Selbstorganisation von Zugewanderten und Einheimischen. Sie verfügt über eine 50-jährige Erfahrung im Bereich der professionellen, transkulturellen, generationsübergreifende Arbeit in den verschiedensten Bereichen der Kinder- u. Jugendhilfe sowie der Migrations- und Flüchtlingsarbeit und ist im Paritätischen organisiert. Als einer der ersten fünf bundesweit agierenden Organisationen im Themenfeld Islamismus, hat sie die Präventionslandschaft seit 2012 aktiv mitgestaltet und ihre Expertise mit den vielfältigen gesellschaftlichen und fachlichen Herausforderungen stetig weiterentwickelt. Die IFAK e.V. ist eine der fünf Gründungsträger*innen der BAG RelEx. 

Themenzuständigkeit im Verbund:

  • sekundäre und tertiäre Prävention in der Islamismusprävention
  • Diversity – Ansätze in der Präventionsarbeit
  • Psychische Erkrankungen bei Klient*innen in der Distanzierungsarbeit
  • (Weiter-) Entwicklung Jugendhilfestandards in der Präventionsarbeit

Ansprechpersonen: Daniela Linka & Dr. Piotr Suder

modus|zad

modus|zad stärkt das gesellschaftliche Reaktionsvermögen gegenüber extremistischen Entwicklungen und ideologischer Gewalt. Ziel ist es, deren Ausbreitung frühzeitig zu erkennen und wirksam entgegenzuwirken. Dafür bringt modus|zad Akteur*innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Bildung und Wirtschaft zusammen und entwickelt gemeinsam mit ihnen neue Ansätze für die Extremismusprävention und Deradikalisierungsarbeit.

Das interdisziplinäre Team von modus|zad forscht zu Distanzierungs- und Radikalisierungsprozessen, evaluiert Präventionsmaßnahmen und analysiert mittels quantitativer Monitorings und qualitativer Auswertungen Trends in radikalisierungsgefährdeten und extremistischen Milieus. Praxisnah aufbereitet bieten diese fundierte Handlungsgrundlagen für Akteur*innen der Extremismusprävention. In innovativen Praxis- und Netzwerkprojekten werden neue Formate und Methoden erprobt und der zivilgesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt. 

Ansprechperson: Elena Jung & Friedhelm Hartwig

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ufuq.de ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und arbeitet an der Schnittstelle von Pädagogik, politischer Bildung und Prävention mit einem Schwerpunkt auf Islam, antimuslimischem Rassismus und Islamismus.

Im KN:IX connect ist ufuq.de für den Bereich der universellen Prävention zuständig und unterstützt bundesweit Fachkräfte und Einrichtungen in der Entwicklung und Umsetzung von Präventionsformaten, in die auch Erfahrungen aus angrenzenden Feldern wie Demokratieförderung und Antidiskriminierungsarbeit einfließen.

ufuq.de bietet Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte an, erstellt Materialien für ihre Praxis und führt darüber hinaus an verschiedenen Standorten Workshops für Jugendliche zu Themen, Fragen und Konflikten in der Migrationsgesellschaft durch. Ziel der Arbeit von ufuq.de ist es, zu einem solidarischen Miteinander beizutragen.

Ansprechpersonen: Sakina Abushi & Dr. Götz Nordbruch

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Die Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e. V., kurz BAG RelEx, ist die Dachorganisation der zivilgesellschaftlichen Prävention im Bereich religiös begründeter Extremismus. Sie wurde 2016 gegründet und hat ihren Sitz in Berlin.

Mit fast 40 Mitgliedsorganisationen in ganz Deutschland steht die BAG RelEx für die Vielfalt an Ansätzen Methoden der Radikalisierungsprävention und spiegelt die langjährigen Erfahrungen im Arbeitsbereich wider.

Die BAG RelEx bietet eine Plattform für Vernetzung, fachlichen Austausch, inhaltliche Weiterentwicklung sowie die Interessenvertretung der zivilgesellschaftlichen Träger im Arbeitsfeld. Ihr Anspruch ist es sowohl die zivilgesellschaftliche Präventionsarbeit zu vernetzen als auch anderen Akteur*innen Einblicke zu geben und sich in aktuelle Debatten einzubringen. Darüber hinaus ist die BAG RelEx Ansprechpartnerin für Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Medien zu den Themen religiös begründeter Extremismus, Islamismus, Prävention und Demokratieförderung.

Die BAG RelEx hat die Koordination von KN:IX connect inne.

Ansprechpersonen: Jamuna Oehlmann & Charlotte Leikert